Mit der Geburt Jesu Christi, die wir an Weihnachten feiern, ist der Retter auf die Welt gekommen, und zwar für unser eigenes, je persönliches Leben. Inmitten unserer Dunkelheit erscheint das Licht unseres Lebens. Weil im Dezember die Tage kurz und dunkel sind, passt der Termin des 25. Dezember so gut als Datum für dieses Ereignis: Seit der Weihnachtswoche und der Wintersonnenwende werden die Tage nun wieder länger und heller.
Diese astronomische Begebenheit ist ein Symbol für unser inneres und alltägliches Leben. Wie die Natur, die Pflanzen Licht zum Wachsen und Gedeihen brauchen, so auch wir. Niemand hält es in den Dunkelheiten und Depressionen seines eigenen Lebens lange aus. Und in allen, die sich in den Dunkelheiten und Niedergeschlagenheiten ihrer selbst befinden, wird zugleich die Sehnsucht nach Licht, Helle und Freude wach.
All denen und damit uns allen wird an Weihnachten – alle Jahre wieder ‑ als gewiss zugesagt: Es gibt keine Dunkelheit ohne Licht. ‑ Ein logischer Zusammenhang: Licht und Dunkelheit bedingen sich gegenseitig. Das eine kann nicht ohne das andere sein. Nun könnte man sich denken: Wenn das so logisch ist, welchen Sinn hat dann Weihnachten überhaupt? Was soll die Rede, dass Weihnachten das Licht unseres Lebens erschienen ist? Was soll die gewisse Zusage davon? Es war – wenn die Logik stimmt ‑ doch schon immer da.
Ja und nein, könnte man antworten. Logisch gesehen, in der Tat. Aber in unserer Erfahrung doch immer wieder nicht. Alle Menschen neigen offensichtlich dazu, zuerst auf Fehler, Misslungenes, Falsches, auf das, was nicht in Ordnung ist, auf Bedrohungen und Katastrophen zu blicken. – Die täglichen Medien sind voll davon. ‑ Wenn man beispielsweise fünf leichte Rechenaufgaben an eine Tafel schreibt, fällt zuerst die falsche auf. Die anderen werden erst gar nicht beachtet. So kennen wir es auch im eigenen Umgang mit den anderen und vielleicht auch mit uns selbst. Zuerst wird das Negative augenfällig und meist bleiben wir daran kleben. Im Johannesevangelium spricht Jesus diese Wahrheit direkt aus: »Das Licht ist in die Welt gekommen, aber die Menschen liebten die Dunkelheit mehr als das Licht.« (Joh. 3,19) – Weil das offensichtlich so ist, muss uns die weihnachtliche Gewissheit alle Jahre wieder und am besten tagtäglich neu zugesagt werden. Allzu schnell gerät die Wahrheit des Lichtes ins Dunkel des Vergessens.
Dieses scheinbar natürliche Vergessen des Lichtes hat einen Grund. Denn die Neigung, auf das Dunkel zu schauen, verbindet sich damit, es beseitigen und bekämpfen zu wollen. Und damit fesseln sich Menschen nur noch stärker an das Negative, verfangen sich geradezu im Dunkel. Aber „Dunkelheit kann die Dunkelheit nicht vertreiben, nur Licht kann es. Hass kann den Hass nicht vertreiben; nur Liebe kann es.“ Diese Sätze stammen von Martin Luther King, dem amerikanischen Pastor und Bürgerrechtler. Wir können unsere Dunkelheit nicht vertreiben, wenn wir uns darauf fixieren. Erst der Blick auf das Licht vertreibt die Dunkelheit. Und das Licht ist wie gesagt – logischerweise ‑ immer da. Das gilt gleichermaßen auch für den Hass. Wenn ich jemanden hasse, glaube ich, dem anderen dadurch schaden zu können. In Wahrheit schaden Wut, Hass und Groll nur mir selbst. Ich vergifte mich selbst damit. Nur Liebe vermag eine Spirale von Hass und Gewalt zu durchbrechen. Nur wer sich auf die alles tragende Liebe einlässt, vermag zu vergeben.
Weihnachten erinnert uns an das Licht in uns. Es erinnert uns an die Liebe Gottes, von der wir immer getragen sind. Diese Erinnerung ist im wahrsten Sinne lebensnotwendig, wo wir beides doch so schnell vergessen.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein frohes und helles neues Jahr 2022.
Andreas Bader, Pastor