Er ist meine Lieblingsfigur in der Krippe zu Weihnachten 2020. Ein Mann, der mitten im Geschehen der Heiligen Nacht steht, ganz nahe bei Maria und dem Kind. Oft hält er in den Darstellungen eine Laterne in der Hand. Er beleuchtet das geheimnisvolle Geschehen, damit gesehen und erkannt wird, was da passiert. Aber er redet nicht, verharrt im Schweigen und in der Stille. Er ist vielleicht gerade auf diese Weise ganz und gar eins mit dem Ereignis.
Ich meine Josef, den Heiligen aller Randfiguren. Bräutigam der Gottesmutter. In der ganzen Bibel ist kein einziges Wort von ihm überliefert. Sein Schweigen beruhigt mich – angesichts des Übermaßes der Corona-Omikron-Informationen, die jeden Tag mit den neuen Zahlen der Infizierten, der Überlastung der Intensivstationen und der Todesopfer beginnen und enden lassen. – Zwischendrin aufgefüllt mit besorgniserregenden Meldungen und drohenden zusätzlichen Beschränkungen von Politik und Wissenschaft. ‑ Josef, seine Stille, seine Ruhe berühren mich.
Josef ist kein tatenloser Statist. Er ist ein Mann der Tat, der praktischen Hilfe: Er organisiert die Reise von Nazareth nach Bethlehem unter weit schwereren Bedingungen als sie heute durch den Corona-Virus gegeben sind. Angesichts der wegen Überfüllung – nicht aufgrund von Schutzbestimmungen – geschlossenen Hotels bringt er seine schwangere Verlobte, zwar nicht besonders komfortabel, aber doch sicher in einem Stall unter. Und als Maria ihr Kind zur Welt gebracht hat, steht er ihr weiter helfend zur Seite. Er sucht keine dankbare Anerkennung, sondern tut einfach und spontan, was notwendig ist.
Von der Hilfsbedürftigkeit Marias damals und Josefs Handlungsbereitschaft ist in einem alten Weihnachtslied vom Anfang des 15. Jh. die Rede: »Joseph, lieber Joseph mein, hilf mir wiegen das Kindelein!/ Gott, der wird dein Lohner sein/ im Himmelreich,/ der Jungfrau Sohn Maria.« – Und Josef hilft, ohne viele Worte, schweigend, praktisch. – Die Worte der 2. Strophe des Liedes wird er kaum laut gesprochen haben, sondern schlicht getan haben: »Gerne, liebe Muhme mein, /helf’ ich wiegen dein Kindelein, / Gott, der wird mein Lohner sein /im Himmelreich,/ der Jungfrau Sohn Maria.«
Weihnachten 2021 ist Josef mein Vorbild. In der Ruhe, die aus der Stille kommt, handelt er, tut er, was getan werden muss. Er tut es ‚gerne‘, ohne zu zögern, weil es notwendig ist. Nicht allein das Wiegen, nicht allein das Schützen der Familie, er trägt auch die Verantwortung bei der späteren Flucht nach Ägypten, um den Häschern des Königs Herodes zu entrinnen, die jede männliche Neugeburt töten wollen. Josef zeigt Rückgrat.
Die Kraft dafür kommt aus der Stille. In ihr hört er das Wort Gottes, das Geheimnis von Weihnachten: Christus ist in seinem Leben »Fleisch« geworden. In seinem Tun gibt er davon ein lebendiges Zeugnis.
»Der lebendige Drang dieses Wortes geht dahin, Fleisch zu werden, Fleisch zu werden in uns. Und wenn wir so von ihm bewohnt sind, dann sind wir dafür geeignet, Zeugen zu werden.« schreibt Madeleine Debrêl.
Josef ist diesem Drang in schwerer Zeit gefolgt. Er hat die Botschaft von Weihnachten in Ruhe und praktisch verwirklicht und ist damit zum Zeugen der Verkündigung des Engels geworden: »Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Retter geboren.«
Wer dem Beispiel Josefs folgt, macht aus der Kraft der Stille Weihnachten praktisch. Ist Weihnachten 2021 nicht die beste Gelegenheit dazu? Und könnte es einen größeren Segen für unsere gegenwärtig so bedrohte Welt geben?
In diesem Sinne wünsche ich euch allen: Gesegnete Weihnachten! Seid Gott befohlen und bleibt behütet.
Andreas Bader, Pastor