Sei, der du bist! Tue in jeder Situation, was diese gerade erfordert.

Seit auf der Erde Menschen leben, gibt es die Frage nach dem »Was soll ich tun?« Es ist wohl eine spezifisch menschliche Frage. Nicht in erster Linie geht es um die Aufgaben, die durch die anderen und die Umwelt gestellt werden. Es geht um die Frage, wie kann mein Leben gelingen? Wie kann ich in meinem Leben glücklich werden? Offensichtlich hängt dieses Glück mit meinem Tun zusammen. Ein glückliches, gelingendes Leben fällt nicht vom Himmel. Ich muss etwas dafür tun.

Im Zweiten, Neuen Testament der Bibel wird Jesus ausdrücklich gefragt: »Was soll ich Gutes tun, damit ich das ewige Leben bekomme?« (Mt. 19,17), dass mein Leben gelingt? Er antwortet mit dem Hinweis auf die bekannten Gebote: Du sollst nicht töten, nicht ehebrechen, kein falsches Zeugnis abgeben… Es geht jedoch nicht darum, einfach nur einen Gebotskatalog abzuarbeiten, um sich damit auf der guten Seite zu wissen. Deshalb schließt Jesus mit der Feststellung: »Willst du vollkommen sein, so geh und verkauf alles, was du hast, gib es den Armen und komm, folge mir nach!« (Mt. 19, 21) Die Nachfolge Jesu erschöpft sich nicht darin, ihn nachzuahmen. »Nachfolge« Jesu meint, selbst zu werden wie er. Wie das geht, nennt er im Gebot der Liebe, dem höchsten Gebot: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt « und »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Mt. 22,37.39)

In einem tiefen Sinn ist damit ein radikaler praktischer Optimismus gemeint. Die Amerikanerin Beatrice Bruteau, eine der großen spirituellen Menschen des 20. und 21 Jh., hat das Gebot der Liebe beschrieben als Forderung, »die Gegenwart Gottes zu leben« bzw. »im praktischen Fluss des Lebens« zu sein. Es bedeutet das, was gerade anliegt, was gerade zu tun ist, mit ganzer Konzentration mit ganzem Herzen, mit entschlossenem Willen und ganzer Seele zu tun. Es heißt beständig und umfassend, das zu lieben, was man gerade tut.

Jesus selbst hat es im Bild des Pflügens beschrieben. »Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.« (Lk. 9, 62) Wenn ich etwas tue, gilt es, dies in ungeteilter Konzentration zu tun, ohne mich ablenken zu lassen, weder von Tagträumen über die Vergangenheit noch durch ein Ausmalen der Zukunft. Es bedeutet gegenwärtig zu sein, wie Gott gegenwärtig ist. Zu lieben heißt, der zu sein, der ich hier und jetzt bin. – Ich kann ohnehin niemand anderes sein. Nur im Jetzt, im Augenblick, geschieht das Leben. Ich soll es fühlen und wahrnehmen mit all meinen Sinnen und Gefühlen. Der Sinn des Liebens ist: Werde selbst das Pflügen! Geh auf in dem, was du tust. Oder: Tu einfach, was gerade anliegt. Denn das ist es, wo du wirklich bist und was du wirklich tust.

Lieben bedeutet so gesehen, pragmatisch zu sein. Der Liebende weiß, was zu tun ist. Im Lukas-Evangelium erzählt Jesus zur Erklärung des Liebesgebotes das »Gleichnis vom barmherzigen Samariter« (Lk. 10, 30ff.) Der Samariter erkennt die Not des Ausgeraubten und halbtot Daliegenden. Er hilft spontan und intuitiv. Er tut, was dran ist und versorgt den Geschlagenen. Ohne etwa vorher in seinen Terminkalender zu sehen, ob er denn jetzt Zeit dazu hätte, ohne sein eigenes Empfinden zu überprüfen, ob er selbst nicht etwa zu müde und unausgeschlafen dafür sei, ohne zu fragen, ob es seine gesellschaftliche Stellung erlaube. Er handelt von Mensch zu Mensch. Er tut, was seine innere Pflicht ist – mit ganzer Aufmerksamkeit und sei es in der aktuellen Situation, selbst beim Leerschöpfen vollgelaufener Keller zu helfen. Das bedeutet es, ein guter Mensch zu sein.

Andreas Bader, Pastor